“Kannst Du eigentlich ohne Smartphone noch leben?” So lautet eine ebenso besorgte wie verständnislose Frage vieler Eltern, wenn es um die Smartphone-Nutzung ihrer Kinder geht. Viele Jugendliche antworten darauf: “Ja, wahrscheinlich schon. Aber warum sollte ich?”

Illustration zur Serie #allesdigital, Frau taucht ein in die Digitale Welt, Foto: Romina Birzer

Könnten wir Erwachsenen denn ohne Kühlschrank, Zentralheizung, Waschmaschine, Auto oder Computer leben? Wahrscheinlich schon, aber das Leben wäre unbequemer, aufwendiger, teilweise teurer. Wir wüssten gar nicht mehr, wie man das anders machen sollte. Außerdem hätte man weniger Zeit für andere Dinge.

Kinder und Jugendliche wachsen in unsere digitale Welt hinein. Für sie sind technische Geräte und das Internet so selbstverständlich wie das Wetter. Sie haben viel mehr Zeit, sich spielerisch mit diesen Welten zu beschäftigen, sie – im wahrsten Sinne des Wortes – zu begreifen. Für Erwachsene ist es Neuland. Sie haben häufig das Problem, dass sie sich mit Inhalten, Verfahren und Veränderungen auseinandersetzen müssen, die für sie selbst komplett neu sind, die anders funktionieren, als sie es gewohnt sind. Die Alten können den Jungen scheinbar nichts beibringen in Sachen digitale Welten. Das kann verunsichern und Angst machen.

Jugendliche haben herausgefunden, dass das Smartphone die Fernbedienung für die digitale Welt ist. Es ist ein mobiler leistungsfähiger Computer und gleichzeitig ein Produktionsgerät für alle Medienformate (Text, Foto, Film, Audio). Alle Freunde sind nur einen Klick entfernt. Das Wissen der Welt auch. Alles in einem Gerät, immer und überall nutzbar. Der Nutzer kann also fast überall zu jeder Zeit konsumieren aber auch produzieren, organisieren und kommunizieren. Damit ist das Smartphone die Fernbedienung des jugendlichen Lebens geworden. In naher Zukunft wird es auch die Fernsteuerung für Hausfunktionen, technische Geräte, Autos, Zahlungsverkehr und vieles mehr sein.

Kommunikation ist ein Grundbedürfnis von Menschen. Junge Menschen stellen sich die Frage: Wer bin ich? Wer will ich sein? Werde ich gemocht? In sozialen Netzwerken haben sie schon immer Antworten gesucht. Jetzt sind diese Netzwerke digitaler geworden und bieten weitere Möglichkeiten der Bearbeitung, Profilierung und Identifikation. Ein weiterer Grund, warum gerade Jugendliche so unbedingt ein Smartphone brauchen. Es ist ein persönliches, intimes Werkzeug für ihre Sozialisation geworden. Ein Smartphone ist eigentlich ein „Assistenzsystem“ für das Leben. Es gibt für fast alles eine App. Wir lagern Telefonnummern, Fotos, Texte, Kommunikation und vieles mehr in ein digitales Gerät aus. Damit wird es zur Erweiterung unserer eigenen Person, unseres Wissens, unserer Fähigkeiten. Es ist ein scheinbar universelles Werkzeug. Dass Flüchtlinge alle ein Smartphone haben, ist kein Zeichen von Luxus. Es ist für sie ein lebensnotwendiges Werkzeug für die Flucht und Kommunikation. Es kann Leben retten.

Haben wir Erwachsenen das mal verstanden, dann geht es nicht mehr um die Frage: „Kannst du ohne Smartphone noch leben?“ Sondern: „Wie nutzt Du das Smartphone, um dein und vielleicht das Leben anderer besser zu machen?“ Mit solchen Fragen können ältere Menschen die Jungen begleiten und ihnen zu Antworten verhelfen. Antworten von denen auch die „Alten“ profitieren können. 

Autor:
Lambert Zumbrägel
(Der studierte Sozialpädagoge (Jahrgang 1966) machte 1998 und 1999 eine Weiterbildung zum Medienpädagogen. Seit 2008 ist Lambert Zumbrägel zuständig für die Medienfachberatung des Bezirksjugendrings Unterfranken mit Sitz in Würzburg. Seit 2014 hat er diese Aufgabe in Vollzeit übernommen. Daneben hat er einige Lehraufträge an der Fakultät für soziale Arbeit an der Fachhochschule Würzburg- Schweinfurt.)

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